Grundeigentum-Verlag GmbH
grundeigentum-verlag
Verlag für private und unternehmerische Immobilien
Anzeige

News  →  Kurz notiert


Modernisierungsmaßnahmen: Keine Duldungspflicht bei grundlegender Veränderung der Mietsache
Im Klartext: Wer einen VW mietet, muss sich keinen Mercedes aufdrängen lassen
02.02.2018 (GE 01/2018, S. 19) Modernisierungsmaßnahmen sind grundsätzlich zu dulden. Das gilt aber dann nicht, wenn hierdurch die Mietsache in einem solchen Maße umgestaltet wird, dass sie mit dem ursprünglichen Vertragsgegenstand nicht mehr vergleichbar ist, so der BGH in einer das Modernisierungsverlangen betreffenden Entscheidung für ein 1919/1920 errichtetes Reihenhaus, das damals Teil einer im englischen Stil angelegten Wohnsiedlung in Berlin-Tegel war und nunmehr unter der Bezeichnung "Stonehill Gardens" vermarktet wird.
Der Fall: Die Beklagten sind aufgrund eines im November 1986 mit dem Land Berlin abgeschlossenen Mietvertrags Mieter eines älteren Reihenhauses, für das sie derzeit eine monatliche Kaltmiete von 463,62 € bezahlen. § 6 Abs. 2 des Mietvertrages lautet:
"Ausbesserungen und bauliche Veränderungen, die zwar nicht notwendig, aber doch zweckmäßig sind, dürfen ohne Zustimmung des Mieters vorgenommen werden, wenn sie den Mieter nur unwesentlich beeinträchtigen."
Die Klägerin, eine Entwicklungsgesellschaft, hat das Anwesen und weitere 13 Siedlungshäuser vor etwa fünf Jahren erworben. Sie beabsichtigt nun, umfangreiche bauliche Maßnahmen durchzuführen, auf deren Duldung sie die Beklagten in Anspruch nimmt. Die geplanten Maßnahmen umfassen im Wesentlichen die Anbringung einer Wärmedämmung an der Fassade, am Dach und an der Bodenplatte, den Austausch der Fenster und Türen, den Einbau leistungsfähiger Elektrostränge im Bereich des Schornsteins, die Verlegung von Leitungen unter Putz, die Veränderung des Zuschnitts der Wohnräume und des Bads, die Entfernung der vorhandenen Heizung und den Einbau einer neuen Gasetagenheizung, den Ausbau der vorhandenen Sanitärobjekte im Bad und den Einbau einer neuen Badewanne und einer neuen Dusche, eine neue Verfliesung des Bodens und die Herstellung von Anschlüssen für eine Spülmaschine bzw. eine Waschmaschine, die Errichtung eines Wintergartens mit Durchbruch zur neu entstehenden Wohnküche, die Entfernung der Drempelwände, den Ausbau des Spitzbodens über dem Obergeschoss, die Herstellung einer Terrasse, die Herausnahme des Bodens im Hauswirtschaftsraum, die Tieferlegung des Bodenniveaus, die Einbringung einer neuen Treppe sowie Instandsetzungsmaßnahmen an den Fenstern, der Klingel- und Schließanlage, den Innentüren, an den Kaltwasserleitungen, der Treppe zum Obergeschoss und am Abwasseranschluss. Die Kaltmiete soll sich infolge der Maßnahmen von 463,62 € auf 2.149,99 € monatlich erhöhen. Die Maßnahmen sollen voraussichtlich 14 Wochen dauern. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Duldung der beschriebenen Maßnahmen einschließlich Duldung des Abrisses eines Anbaus an der Gartenseite des Hauses (Veranda) und Entfernung der von den Beklagten im Jahr 1992 eingebauten Gasetagenheizung. Weiter begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr sämtliche aus der Verletzung der Duldungspflicht entstehenden Schäden zu ersetzen.
Das AG Wedding wies die Klage mit der Begründung ab, dass von einer Verbesserung der Mieträume nicht gesprochen werden könne, weil der Umfang der geplanten Maßnahmen zu einer völlig neuen Mietsache führe. Soweit auch die Duldung von Instandsetzungsmaßnahmen verlangt werde, sei nicht erkennbar, ob die Klägerin diese unabhängig von der Verwirklichung des gesamten Maßnahmenpaketes vornehmen wolle. Die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin wies die Berufung der Klägerin zurück, allerdings nicht mit der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung, sondern unter Hinweis darauf, dass bereits § 6 Abs. 2 des Mietvertrages einer Duldungspflicht entgegenstünde. Der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurück.

Die Entscheidung: Die vom Landgericht (ZK 67) vorgenommene Auslegung der Vertragsbestimmung (siehe linke Spalte), wonach eine Modernisierung ohne die Zustimmung des Mieters nicht vorgenommen werden könne, sei zwar rechtsfehlerhaft. Die Auslegung sei weder mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Einklang zu bringen noch entspreche die vom Landgericht als vertretbar erachtete Auslegungsvariante, dass der Mieter alle zustimmungspflichtigen Modernisierungsmaßnahmen durch die Verweigerung seiner Zustimmung verhindern könne, der Sichtweise von verständigen und redlichen Vertragspartnern und würde von ihnen auch nicht als ernsthafte Auslegungsmöglichkeit in Betracht gezogen.
Die Klageabweisung und damit die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde sei jedoch deshalb gerechtfertigt, weil die beabsichtigten Maßnahmen - wie das Amtsgericht zutreffend angenommen habe - keine von den Beklagten zu duldenden Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. §§ 555a, 555d BGB darstellten. Eine Modernisierungsmaßnahme zeichne sich dadurch aus, dass sie einerseits über die bloße Erhaltung des bisherigen Zustands hinausgehe, andererseits aber die Mietsache nicht so verändere, dass etwas Neues entstehe. Die von der Klägerin auf neuneinhalb eng beschriebenen Seiten aufgeführten "Modernisierungsmaßnahmen" seien so weitreichend, dass ihre Durchführung den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würde und nach der Verkehrsanschauung "nicht entfernt mehr" von einer bloßen Verbesserung der Mietsache im Sinne einer nachhaltigen Erhöhung des Wohnwertes oder einer dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse gesprochen werden könne.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2018, Seite 49 und in unserer Datenbank.


Links: