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Exzessivqualmer können zu Schadensersatz verpflichtet sein
Rauchen in Mietwohnungen kann vertragswidrig sein
25.04.2008 (GE 8/2008, 511) Übermäßiges Rauchen in Wohnungen kann eine Schadensersatzpflicht des Mieters auslösen. Wie der BGH entschied, ist eine vom vertragsgemäßen Gebrauch einer gemieteten Wohnung nicht mehr umfasste Nutzung anzunehmen, wenn „exzessives“ Rauchen bereits nach kurzer Mietzeit einen erheblichen Renovierungsbedarf zur Folge hat.

Exzessivqualmer können zu Schadensersatz verpflichtet sein

Der Fall: Die Kläger waren von August 2002 bis Juli 2004 Mieter einer Wohnung der Beklagten. Mit der Klage haben die Kläger Rückzahlung der geleisteten Kaution verlangt. Die Beklagte hat die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch erklärt. Sie hat behauptet, die Kläger hätten in der Wohnung stark geraucht. Bei deren Auszug seien Decken, Wände und Türen der Wohnung durch Zigarettenqualm stark vergilbt gewesen. Der Zigarettengeruch habe sich in die Tapeten „eingefressen“. Dies habe eine Neutapezierung und Lackierarbeiten an den Türen erforderlich gemacht. Alle Instanzen haben einen Schadensersatzanspruch der Beklagten verneint.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Rauchen in einer Mietwohnung dann über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgeht und eine Schadensersatzpflicht des Mieters begründet, wenn dadurch Verschlechterungen der Wohnung verursacht werden, die sich nicht mehr durch Schönheitsreparaturen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung beseitigen lassen, sondern darüber hinausgehende Instandsetzungsarbeiten erfordern. Das gilt unabhängig davon, ob ein Renovierungsbedarf bereits vorzeitig entsteht. Der Vermieter wird dadurch nicht unbillig benachteiligt, denn er hat die Möglichkeit, die Pflicht zur Ausführung der erforderlichen Schönheitsreparaturen auf den Mieter abzuwälzen – vorliegend war die verwendete Klausel allerdings unwirksam und der Vermieter zu Schönheitsreparaturen verpflichtet.
Im entschiedenen Fall ließen sich die behaupteten Spuren des Tabakkonsums nach dem Vortrag der Beklagten durch das Tapezieren und Streichen von Wänden und Decken sowie die Lackierung von Türen beseitigen. Dabei handelt es sich um Schönheitsreparaturen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung. Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten bestand deshalb nicht.

Anmerkung: Der BGH führt mit diesem „zweiten Raucherurteil” seine Rechtsprechung (GE 2006, 1158; vgl. dazu Schach, GE 2006,1145) ausdrücklich fort. Im ersten Raucherurteil hat der BGH festgehalten, dass keine das Rauchen in der gemieteten Wohnung untersagende oder einschränkende Vereinbarung getroffen worden sei und sich ein Mieter, der in der gemieteten Wohnung rauche und somit Nikotin- und Teerablagerungen verursache, nicht grundsätzlich vertragswidrig verhalte. Ob eine das Rauchen einschränkende Klausel zulässig sei und welche Rechtsfolgen sie entfalten könnten, hatte der BGH nicht entschieden und nicht entscheiden müssen.
Der vorliegenden Entscheidung lag ein Mietvertrag zugrunde, der mit Schreibmaschine den Hinweis „Bitte möglichst nicht rauchen, (…)” enthielt. Stellung dazu nahm der BGH wiederum nicht – musste es allerdings auch nicht. Allerdings spricht der BGH von einem möglichen Rechtsbindungswillen des Mieters, der vom Instanzgericht zu Recht verneint worden sei.
Damit bleibt offen, ob generelle vertragliche Rauchverbote oder zumindest das Rauchen einschränkende Vereinbarungen möglich sind. Das ist zu verneinen.
Eine Klausel, die das Rauchen verbietet, ist wegen der grundgesetzlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) unwirksam, hat aber keine weiteren Folgen, könnte aber immerhin von Fall zu Fall als Appell Wirkung haben.
Eine das Rauchen lediglich einschränkende und im Grundsatz möglicherweise zulässige Vereinbarung ist ohne Verstoß gegen das Klarheits- und Transparenzgebot der §§ 305 ff. BGB kaum zu formulieren. Der BGH vermerkt dazu (Rdn. 15 des Urteils), dass der privaten Lebensführung des Mieters nicht nur die Entscheidung, zu rauchen oder nicht zu rauchen, unterfalle, sondern auch die Entscheidung, in welchem Ausmaß er rauche. Wann ein Mieter durch Exzessivrauchen die Grenze zwischen vertraglichem und vertragswidrigem Gebrauch überschreite, müsse er einigermaßen zuverlässig selbst abschätzen können.
Wohltuend klar definiert der BGH (Rdn. 23), dass das Rauchen in einer Mietwohnung dann über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgeht und eine Schadensersatzpflicht des Mieters begründet, wenn dadurch solche Verschlechterungen der Wohnung verursacht werden, die sich nicht mehr durch Schönheitsreparaturen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV beseitigen lassen, sondern darüber hinausgehende Instandsetzungsarbeiten erforden.
Allerdings: Wo ist die Grenze zwischen Schönheitsreparaturen und Pflichtverletzung/Sachbeschädigung zu ziehen? Im vom BGH entschiedenen Fall war das klar. Nach dem Vortrag des Vermieters hatte sich der Zigarettenqualm in die Tapeten „eingefressen”, die Türen der Wohnung waren stark vergilbt. Zur Beseitigung dieser Gebrauchsspuren reichten Schönheitsreparaturen aus: Tapezieren der Wände, Anstreichen der Decken, Anstreichen der Türen.
Der Vermieter hatte nicht behauptet, dass sich der Zigarettenqualm in den Putzuntergrund der Zimmer bzw. in das Holz der Türen „eingefressen hatte”. Wäre das der Fall gewesen (so ist es aber bei länger dauerndem Exzessrauchen), hätte sich die Frage gestellt, ob derartige Auswirkungen durch Schönheitsreparaturen beseitigt werden können.
Bei der Auslegung, was zu Schönheitsreparaturen gehört, ist die Rechtsprechung im Sinne der Rechtsklarheit notwendigerweise rigide und stellt sich gegen eine Ausweitung des Umfangs, wie er etwa durch § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV definiert wird. Bei einem übermäßigen Rauchen geht es jedoch nicht um die Ausweitung des Umfangs der Schönheitsreparaturen, sondern um die Frage, welche Art von Arbeiten an sich zu den Schönheitsreparaturen gehören. Zum Tapezieren gehört sicher das Aufbringen von Kleister und das Kleben der Tapeten, zum Anstreichen der Decken die Aufbringung eines deckenden Farbanstrichs, zum Anstreichen der Türen die Aufbringung eines Vor- und anschließenden Lackieranstrichs.
Ist der Zigarettenqualm jedoch in den Putz bzw. in das Holz von Türen eingedrungen, muss vor dem Anstrich eine Abisolierung erfolgen, die je nach Grad der „Beschädigung” umfangreich sein und mehrere Grundierungsanstriche notwendig machen kann. Solche Arbeiten gehören nicht mehr zu üblichen Vorarbeiten von Schönheitsreparaturen, es handelt sich vielmehr um darüber hinausgehende sonstige Instandsetzungsarbeiten.
Gleiches gilt auch für weitere durch Exzessivrauchen erforderliche Maßnahmen. War die Wohnung beispielsweise mit Dielen-, Parkett- oder Laminatfußboden ausgestattet, und ist der Rauch in den verlegten Fußboden eingezogen, kann sogar ein vollständiger Ersatz des Fußbodens notwendig sein. Bei mitvermietetem Teppichboden kann der Teppichfußboden zu ersetzen sein.
Es ist Sache des Vermieters, solche Ansprüche im Einzelnen darzulegen und ggf. auch zu beweisen. Solche Ansprüche – aus Pflichtverletzung – sind auch durchsetzbar, wenn die Vereinbarung über die Schönheitsreparaturen unwirksam war. Der Vermieter muss also eine Abgrenzung der „reinen” Schönheitsreparaturen und der Sachbeschädigung vornehmen, und zwar dem Grunde und der Höhe nach. Ein Kostenvoranschlag muss also getrennt die Arbeiten beziffern, die sich auf den reinen Anstrich bzw. die Aufbringung von Tapeten beziehen, und solchen Arbeiten und Materialien, die sich auf die sonstige Beseitigung der Rauchspuren beziehen.

BGH, Urteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07 - Wortlaut Seite 533


Die wichtigsten Raucherurteile bisher:
So urteilen deutsche Gerichte über den Qualm
Wohnung:
Rauchen in den „eigenen vier Wänden“ ist erlaubt. Es ist als Konsequenz freier Willensentscheidung, als Teil sozialadäquaten Verhaltens in der Wohnung, dem Zentrum der Lebensgestaltung, gestattet (LG Köln, Urteil vom 19. August 1998 - 9 S 188/98 -, WuM 1998, 596 und LG Paderborn, Urteil vom 23. März 2000 - 1 S 2/00 -, NZM 2000, 710 f.).

Balkon:
Da der Balkon mit zur gemieteten Wohnung gehört, ist auch hier das Rauchen erlaubt, entschieden die Amtsgerichte Bonn (Urteil vom 9. März 1998 - 6 C 510/98 -, WuM 1999, 452) und Wennigsen (Urteil vom 14. September 2001 - 9 C 156/01 -, WuM 2001, 487). Nachbarn, die durch aufsteigenden Rauch belästigt werden, haben in der Regel keinen Unterlassungsanspruch gegen den Raucher. Das gilt auch, wenn Mieter am offenen Fenster rauchen und die Zigarettengerüche in die darüber liegende Wohnung ziehen (AG Hamburg, Urteil vom 31. Oktober 2001 - 102 e II 368/00 -, ZMR 2001, 1015 f.).
Hausflur: Im Treppenhaus bzw. im Hausflur kann das Rauchen untersagt werden, entschied das Amtsgericht Hannover (Urteil vom 31. Januar 2000 - 70 II 414/99 -, NZM 200, 520).

Rauchverbot:
Bei Abschluss des Mietvertrages muss ein Mieter nicht angeben, dass er Raucher ist. Ein Rauchverbot ist nach Ansicht des Amtsgerichts Albstadt (Urteil vom 21. Mai 1992 - 1 C 288/92 -, WuM 1992, 475 f.) unwirksam. Dagegen geht das Amtsgericht Nordhorn (Urteil vom 5. Dezember 2000 - 3 C 1440/00 -, NZM 2001, 892) davon aus, dass Mieter und Vermieter ein Rauchverbot wirksam vereinbaren können. Ein Grundsatzurteil gibt es hierzu bisher nicht.
Sucht der Vermieter per Zeitungsannonce einen Nichtraucher und erklärt der Mieter auf Nachfrage, er habe aufgehört, bleibt der Mietvertrag auch bei einem eventuellen Rückfall wirksam. Gelegentliches Rauchen berechtigt nicht zu einer Anfechtung des Mietvertrages (LG Stuttgart, Urteil vom 2. Juli 1992 - 16 S 137/92 -, NJW-RR 1992, 1360 f.). Selbst starkes Rauchen in der Mietwohnung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund (AG Ellwangen, Urteil vom 26. Oktober 1990 - C 175/90-12 -, WuM 1991, 104 f.).

Schadensersatzansprüche des Vermieters:
Vor rund einem Jahr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten hat. Ein Mieter, der in der gemieteten Wohnung raucht, handelt grundsätzlich nicht vertragswidrig. Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Nikotinablagerungen und Verfärbungen sind ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - VIII ZR 124/05 - GE 2006, 1158 f.). Der Vermieter hatte hier auf Schadensersatz geklagt, weil der Mieter aufgrund einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel beim Auszug keine Renovierungsarbeiten durchführen musste.

Exzessives Rauchen:
Die vom BGH jetzt entschiedene Frage war bisher von den Amts- und Landgerichten unterschiedlich beurteilt worden. Das Landgericht Paderborn (Urteil vom 23. Februar 2000 - 1 S 2/00 -, NZM 2000, 710 f.) ging von einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietwohnung aus, wenn der Mieter täglich bis zu 60 Zigaretten rauchte und Renovierungsbedarf bereits nach zwei Jahren Mietzeit bestand. Ähnlich entschieden das AG Tuttlingen (Urteil vom 19. Mai 1999 - 1 C 52/99 -, NZM 1999, 1141), das AG Magdeburg (Urteil vom 19. April 2000 - 17 C 3320/99 -, WuM 2000, 303) und das AG Cham (Urteil vom 11. April 2002 - 1 C 0019/02 -, ZMR 2002, 761 f.). Dagegen lehnen einen Schadensersatzanspruch wegen Nikotinablagerungen in der Wohnung grundsätzlich ab: LG Köln (Urteil vom 28. Juni 2001 - 30 S 9/01 -, WuM 2001, 467 f.), LG Köln (9 S 188/98), AG Frankenberg (Urteil vom 13. Dezember 2002 - 6 C 369/02 -, ZMR 2003, 848 f.), LG Karlsruhe (Urteil vom 14. Januar 2001 - 9 S 119/99 - WuM 2002, 50) und LG Hamburg (Urteil vom 26. April 2001 - 333 S 156/00 -, WuM 2001, 469).